Bordsteinkanten sind kein Problem mehr

Schüler aus Saalfeld gewinnt Jugend-forscht-Sonderpreis der Christoffel-Blindenmission

Ein Junge vor dem Modell eines Rollators. © Tino Krosch
Tino Krosch (16) entwickelt einen Rollator mit Elektroantrieb und Hebemechanik. Für diese neue Generation des Rollators erhält der Schüler den Sonderpreis der Christoffel-Blindenmission (CBM) "Innovationen für Menschen mit Behinderungen".

Bensheim/Saalfeld, 17. August 2023. Der Rollator erleichtert vielen die eigenständige Mobilität. An Steigungen oder Kanten kann die Hilfe jedoch zur Last werden. Schlimmstenfalls besteht sogar Unfallgefahr. Tino Krosch (16) sucht hierfür nach Lösungen und entwickelt ein Modell mit Elektroantrieb und Hebemechanik. Für "Die nächste Generation des Rollators" erhält der Schüler des Schülerforschungszentrums Rudolstadt den Sonderpreis der Christoffel-Blindenmission (CBM) "Innovationen für Menschen mit Behinderungen". Der Preis wird im Rahmen des Landeswettbewerbs Thüringen der Stiftung "Jugend forscht" verliehen.

Tino sieht eine ältere Frau, die Mühe hat, mit ihrem Rollator eine Steigung zu bezwingen. Sie läuft stark nach vorne gebeugt und der Abstand zu ihrer Gehhilfe ist groß. Dadurch wirkt ihr Vorankommen beschwerlich und instabil. Ein elektronischer Antrieb wäre hier eine große Erleichterung, denkt sich der Schüler. Sein Interesse für die Rollator-Problematik ist geweckt.

Eine weitere Schwierigkeit ist das Überwinden von Bordsteinkanten. Der Jungforscher beobachtet: Oft wird nur ein Rad hinaufgefahren und der gesamte Rest hinterhergestemmt. Das ist für schwache oder gebrechliche Menschen nicht nur beschwerlich, sondern regelrecht gefährlich. Denn in diesem Moment sind sie unter Belastung und in ihrer Haltung extrem instabil. Das führt nicht selten zu Stürzen. Genauso kritisch ist es, wenn sie bergab laufen, denn dabei nimmt das Gerät Fahrt auf und die Bremse muss permanent gehalten werden. Dazu braucht es Kraft und Koordination, an denen es älteren und geschwächten Menschen nicht selten mangelt.

Prinzip Schwerpunkt

Um den Rollator komfortabler und sicherer zu gestalten, müssen zahlreiche Faktoren bedacht werden. Nicht zuletzt soll ein elektronisch angetriebenes System ja auch nicht unkontrolliert nach vorn brausen. Um stabil zu bleiben, ist es wichtig, dass zwischen Mensch und Rollator stets der richtige Schwerpunkt besteht. Dieses Problem löst der Jungforscher mit einer elektronischen Schrittkontrolle – zumindest im Modell. Das Gerät fährt nur, wenn der Schwerpunkt passt. Wird der Abstand zum Modellmenschen zu groß, stoppt der Rollator. Bergab bremst das Gerät also auch automatisch. Es geht erst weiter, wenn der Mensch aufschließt und sich wieder in stabiler Position zum Rollator befindet. Selbst das Kantenproblem hat der Jungforscher geknackt. Mittels Sensoren erkennt die Gehhilfe das Hindernis und richtet sich automatisch parallel dazu aus. Dann übernimmt eine Hebemechanik den Rest. Damit das alles reibungslos im echten Leben funktioniert, bedarf es noch einiger Tüftelei, der Weg zur nächsten Generation des Rollators ist jedoch geebnet.

CBM-Vorstand Dr. Rainer Brockhaus: "Tino beweist mit seiner Erfindung echten Forschergeist für eine gute Sache. Für einen Sechzehnjährigen ist das eine große Leistung", lobt Brockhaus. "Durch unsere Arbeit in den CBM-Projekten weltweit wissen wir, wie wichtig eigenständige Mobilität ist. So können Menschen mit Gehproblemen weiterhin am sozialen und wirtschaftlichen Leben teilhaben. Denn niemand soll wegen einer Behinderung ausgeschlossen sein!"

Landessieger haben Chance auf CBM-Bundespreis

Der CBM-Sonderpreis zeichnet jedes Jahr kreative Studien und Erfindungen aus, die bei Jugend forscht eingereicht werden. Als Organisation für Menschen mit Behinderungen in Entwicklungsländern legt die CBM Wert darauf, dass die Arbeiten gerade ihnen den Alltag erleichtern können. Denn von den eine Milliarde Menschen mit Behinderungen leben 80 Prozent in den ärmsten Regionen der Welt. Prämiert werden außerdem Arbeiten, die sich mit dem Zusammenhang von Krankheit und Behinderung befassen oder einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit leisten. Alle ausgezeichneten Landessieger haben die Chance, den von der CBM ausgeschriebenen Bundessonderpreis zu erhalten. Dieser ist mit 300 Euro dotiert.

Über die CBM

Die Christoffel-Blindenmission (CBM) zählt zu den international führenden Organisationen für inklusive Entwicklungszusammenarbeit. Sie unterstützt Menschen mit Behinderungen in den ärmsten Ländern der Welt – und das seit 115 Jahren. Gemeinsam mit ihren lokalen Partnern sorgt sie dafür, dass sich das Leben von Menschen mit Behinderungen grundlegend und dauerhaft verbessert. Sie leistet medizinische Hilfe und setzt sich für gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe ein. Ziel ist eine inklusive Welt, in der Menschen mit und ohne Behinderungen ihre Fähigkeiten einbringen können und niemand zurückgelassen wird. Im vergangenen Jahr förderte die CBM 391 Projekte in 44 Ländern.