• Zwei Hände fahren über ein aufgeschlagenes Heft mit Blindenschrift. © CBM/Farmer

Braille – eine Blindenschrift aus Punkten erobert die Welt sehbehinderter Menschen

Sechs Punkte waren es, die die Welt blinder und stark sehbehinderter Menschen im Jahr 1825 nachhaltig verändern sollten: In diesem Jahr erfand der 16-jährige Louis Braille die Blindenschrift, die heute zahlreichen Menschen rund um den Globus das Lesen und Schreiben ermöglicht.

Die Blindenschrift Braille ist so simpel wie genial. Sie beruht auf sechs Punkten: drei in die Höhe mal zwei Punkte in der Breite. Insgesamt ergeben sich somit 64 unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten, mit denen Buchstaben, Zeichen und Zahlen dargestellt werden.

Die 64 Zeichen des Blindenschrift-Alphabets, auch Literaturbraille genannt, sind nicht nur im Deutschen gültig. Auch andere Sprachen wie Englisch oder Arabisch können mit ihnen abgebildet werden. Darüber hinaus gibt es spezielle Punktschriften für Musiknoten, mathematische und chemische Formeln oder Strickmuster.

Die Erfindung der Blindenschrift Braille eröffnete blinden Menschen mit einem Schlag den Zugang zu Bildung und Wissen – und sie verbreitete sich schnell um die ganze Welt. Viele Werke der klassischen und modernen Literatur, Fachbücher und Zeitschriften werden mittlerweile auch in Braille herausgegeben.

Ein blinder indischer Junge sitzt mit anderen Kindern in einem Klassenzimmer, vor ihm auf dem Tisch ein aufgeschlagenes Heft. © CBM/Klostermann
Parthiban (l.) ist blind und besucht eine inklusive Schule in Südindien. Dank Blindenschrift kann er wie die anderen Kinder lesen und schreiben und einen Schulabschluss machen.

Wie schreibt man in Blindenschrift?

Wer von Hand einen Text in Blindenschrift schreibt, benötigt eine Schablone und einen Griffel. Die Schablone, auch Punktschrift-Tafel genannt, besteht aus zwei Teilen, zwischen die ein Blatt Papier geklemmt wird. Auf der Vorderseite der Schablone sind rechteckige Löcher. Auf der Gegenseite unter dem Papier befinden sich sechs kleine Vertiefungen.

Mit dem Griffel drückt man Punkte in diese Vertiefungen. Dabei müssen blinde Menschen die Blindenschrift-Zeichen spiegelverkehrt und von rechts nach links schreiben. Nur dann können sie nach dem Wenden des Papiers die erhabenen Punkte in der richtigen Reihenfolge von links nach rechts tastend lesen.

Alternativ kann man zum Schreiben auch eine Braille-Schreibmaschine verwenden. Als erfahrener Blindenschrift-Nutzer kann man etwa 100 Wörter in der Minute lesen. Nicht sehbehinderte Menschen schaffen vergleichsweise etwa 250 Wörter pro Minute.

Wie ist die Blindenschrift aufgebaut?

  • Drei Reihen mit je zwei Punkten, links daneben die Zahlen ein bis drei, rechts daneben die Zahlen 4 bis 6; darunte steht: Grundform

    Die Grundform der Blindenschrift besteht aus sechs fühlbaren Punkten, die z.B. mit einem Griffel in Papier gedrückt werden.

  • Zwei Zeichen mit je sechs Punkten in drei Reihen. Darunter steht "e" und "n".

    Die einzelnen Buchstaben der Blindenschrift bestehen aus einer Kombination dieser Punkte, den sogenannten Braillezeichen.

  • Zwei Zeichen mit je sechs Punkten in drei Reihen. Darunter steht "ü" und "Punkt".

    Neben Buchstaben gibt es auch eigene Punktkombinationen für Umlaute und Satzzeichen. Im Beispiel ein Ü und ein Punkt.

  • Zwei Zeichen aus je sechs in drei Zweierreihen angeordneten Punkten

    Zahlen beginnen mit dem Hashtag-Braillezeichen. Dann folgen einer oder mehrere der ersten 10 Braille-Buchstaben (A=1, B=2 usw., J=0).

Die Blindenschrift Braille im digitalen Zeitalter

Die Blindenschrift Braille ist äußerst fortschrittlich und kann im digitalen Zeitalter selbstverständlich auch per Computer geschrieben und gelesen werden. Um die für die Computer-Kommunikation äußerst wichtigen Sonderzeichen abzubilden, wurde das Sechs-Punkte-System hier um zwei weitere Punkte erweitert. Durch die insgesamt acht Punkte ergeben sich für Computerbraille 256 Zeichenkombinationen.

Die Eingabe der Zeichen erfolgt über eine spezielle Braille-Tastatur. Gelesen wird über eine sogenannte Braille-Zeile, die man sich ebenfalls als eine Art Tastatur vorstellen kann. Ein Screenreader-Programm liest den Bildschirm aus und stellt die ausgelesenen Wörter zeilenweise als fühlbare Stifte dar, die aus der Braille-Zeile herausragen. Alternativ können sehbehinderte Menschen aber auch eine Sprachausgabe verwenden und sich die Inhalte vorlesen lassen.

Blindenschrift in CBM-Projekten

Zwei Hände halten einen Griffel und schreiben Braille. © CBM/argum/Einberger
Mit einem Griffel und Schablone wird die Blindenschrift Braille spiegelverkehrt und von rechts nach links ins Papier gedrückt.

Auch in den von der Christoffel-Blindenmission (CBM) geförderten Projekten spielt die Blindenschrift eine große Rolle, zumal blinde und stark sehbehinderte Menschen in vielen Entwicklungsländern meist kaum Geld für elektronische Lesehilfen oder Computer haben. Das Erlernen der Blindenschrift ist daher wesentlich, um blinden Kindern und Jugendlichen Zugang zu Bildung und damit Wege aus der Armut zu eröffnen.

Doch in einigen Ländern, wie z. B. Äthiopien, mangelt es sogar an Schreibtafeln und Griffeln – von Braille-Schreibmaschinen ganz zu schweigen. Die CBM wird sich daher weiter dafür einsetzen, sehbehinderten Menschen den Zugang zur Blindenschrift zu ermöglichen.

Louis Braille – Erfinder der Blindenschrift

Eine Büste von Louis Braille. © domaine public
Louis Braille: Seine Blindenschrift Braille ist heute unverzichtbarer Bestandteil des Alltags blinder Menschen.

Louis Braille wird 1809 im französischen Dorf Coupvray geboren. Mit drei Jahren verletzt er sich in der Sattler-Werkstatt seines Vaters mit einem spitzen Werkzeug am rechten Auge. Es entzündet sich; sein linkes Auge infiziert sich ebenfalls. Nach und nach nimmt die Sehkraft des Jungen ab – mit fünf Jahren ist Louis Braille erblindet. Seine Eltern ermöglichen ihm dennoch den Schulbesuch. Nach drei Jahren in der Dorfschule erhält Louis ein Stipendium für das Pariser Blindeninstitut – die erste Blindenschule weltweit.

In der Schule lernt er die von Institutsleiter Haüy entwickelte Relief-Blindenschrift, später auch die von Charles Barbier für militärische Zwecke erfundene  "Nachtschrift" kennen. Louis Braille beschäftigt sich mit dem aufwändigen System und vereinfacht es. Mit nur 16 Jahren hat er die Blindenschrift Braille entwickelt. Den internationalen Siegeszug seiner Blindenschrift erlebt Louis Braille allerdings nicht mehr. Er stirbt 1852 im Alter von 43 Jahren an Tuberkulose.

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Die Umwelt nicht mit den Augen wahrnehmen zu können, das können sich die meisten gar nicht vorstellen. Aber weltweit sind 43 Millionen blind und 295 Millionen Menschen mittelgradig bis stark sehbehindert.

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