Eine Frau im Rollstuhl neben einer Treppe. © CBM

UN-Generalversammlung: Die CBM fordert echte Inklusion

Jedes Jahr im September findet die UN-Generalversammlung in New York statt – 2019 mit dem ersten Gipfel zur 2030-Agenda und ihren 17 nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals/SDG). Ziel 1 und 2 fordern, dass Armut und Hunger auf der Welt aufhören. Ziel 3 ist Gesundheit für alle. Sind wir den Zielen und damit einer gerechteren Welt schon nähergekommen?

Ein Muss: schnellere Umsetzung!

Die Christoffel-Blindenmission (CBM) stellt mit Sorge fest, dass für Menschen mit Behinderungen zu wenig erreicht wurde, seit die Agenda im Jahr 2015 verabschiedet wurde. "Wenn wir in dem Tempo weitermachen", erklärt Michael Herbst von der CBM, "dann sind die Ziele niemals bis 2030 zu schaffen!" Der Leiter der politischen CBM-Arbeit hat deshalb in New York einen Forderungskatalog übergeben, damit der Umsetzungsprozess beschleunigt wird.

Ein blinder steht vor dem UN-Gebäude in New York © CM
Michael Herbst, Leiter der Politischen Arbeit bei der CBM, mit dem Forderungskatalog vor dem UN-Gebäude in New York.

Niemanden zurücklassen

"Leave no one behind", zu deutsch "niemanden zurücklassen", ist eines der Leitprinzipien der 2030-Agenda. In der Realität zeigt das Prinzip noch immer kaum Wirkung. In den meisten Staaten kommen Menschen mit Behinderungen noch nicht einmal in den Statistiken vor – oder viel zu wenig. Wer aber nicht gezählt wird, wird auch vergessen. "Wir wissen weder genau, wo es wie viele Menschen mit Behinderungen gibt, noch was sie konkret daran hindert, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen", bemängelt Michael Herbst. "Und das scheint auch niemanden zu interessieren. Die Verantwortlichen verlieren sich nur in technischen Diskussionen", ergänzt Herbst.

Die Forderungen

Mit anderen Organisationen zusammen hat die CBM deshalb einen Forderungskatalog für den SDG-Gipfel bei der UN-Generalversammlung erarbeitet, um die Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklungsziele zu beschleunigen. Die Forderungen sollen Politik inklusiv gestalten und die Aufmerksamkeit auf bestehende Missstände für Menschen mit Behinderungen lenken:

  • Sieben Figuren bilden eine Gruppe

    Partizipation: Menschen mit Behinderungen müssen mitreden und mitgestalten. Sie wissen am besten, was sie brauchen.

  • Rollstuhlnutzer

    Barrierefreiheit: Sie ist Voraussetzung für Inklusion. Information und Kommunikation, Transport und Gebäudezugang muss für alle gegeben sein.

  • Megaphon

    Rechenschaftspflicht: Regelmäßig veröffentlichte Messgrößen müssen die Fortschritte des Niemand-zurücklassen-Prinzips prüfbar machen.

  • Zwei Euromünzen

    Inklusive Finanzierung: Ausreichend Gelder von staatlichen und internationalen Gebern für die effektive Umsetzung des Niemand-zurücklassen-Prinzips.

  • Aufgeschlagenes Buch

    Datenerhebung: Datensammlung global vergleichbarer Daten, in denen Menschen mit Behinderungen vorkommen.

Hintergrundinformation: Die 2030-Agenda

Übersicht der UN-Entwicklungsziele der Agenda 2030 © United Nations
Die 17 Entwicklungsziele (Sustainable Developement Goals/SDG) der Vereinten Nationen sollen bis 2030 weltweit umgesetzt werden.

2015 haben die Vereinten Nationen (UN) die 2030-Agenda mit 17 nachhaltigen Entwicklungszielen verabschiedet. Doch nicht die UN allein haben die Agenda entwickelt: nichtstaatliche Organisationen haben sie mit erarbeitet. Die Agenda soll die Lebensqualität von Menschen verbessern – und die Welt so verändern, dass alle Menschen jetzt und in Zukunft bessere Chancen haben: Damit sie sozial gerecht, ökologisch verträglich und wirtschaftlich leistungsstark handeln können. Und dabei dürfen Menschen mit Behinderungen keinesfalls fehlen.

Sie werden in acht Entwicklungszielen thematisiert und dabei explizit oder als Teil verletzlicher Personengruppen erwähnt. Dass zu diesen Personen auch Menschen mit Behinderungen gehören, definiert die einleitende Deklaration.

In diesen Entwicklungszielen werden Menschen mit Behinderungen thematisiert

Ziele 1 bis 4: Armut beenden, Hunger beenden, Gesundheit, Bildung
Ziele 6, 8, 10 und 11: Wasser- und Sanitätsversorgung, Beschäftigung (Arbeit), Ungleichheit verringern, Infrastruktur (nachhaltige, barrierefreie Städte und Gemeinden)

Es wird Zeit, dass es nicht bei der Nennung verletzlicher Personengruppen im Papier bleibt, sondern die Ziele mit und für Menschen mit Behinderungen umgesetzt werden. Erst wenn es echte, gelebte Inklusion gibt, kann die Welt gerechter werden.

UN-Behindertenrechtskonvention: Zentrale Artikel für die CBM-Arbeit

Menschenrechte sind in aller Munde. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde 1948 von der Gemeinschaft der Vereinten Nationen (UN) verabschiedet. 1966 folgten verbindliche UN-Konventionen über zivile und politische sowie soziale, wirtschaftliche und kulturelle Menschenrechte. Sie alle stehen auch Menschen mit Behinderungen zu. Aber erst 2006 – also rund 60 Jahre später! – gibt es mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ein Instrument, das festlegt, wie die Ziele der Menschenrechtserklärung und der Menschenrechtskonventionen für Menschen mit Behinderungen zu verwirklichen sind. Ein großer Erfolg der internationalen Behindertenbewegung!

Ich bin dabei!
Artikel 3c: Partizipation

Wie alle anderen Menschen müssen Menschen mit Behinderungen die Gelegenheit bekommen, sich mit ihren Ansichten, Erfahrungen und Ideen in die Gesellschaft einzubringen. Partizipation gehört zu den acht menschenrechtlichen Prinzipien in Arrtikel 3. Partizipationsprozesse und Informationen darüber müssen barrierefrei sein. Abgesehen von Partizipation als menschenrechtlichem Prinzip ist die Chance auf eine inklusive Welt nur möglich, wenn Menschen mit Behinderungen beteiligt sind. Sie wissen schließlich am besten, worauf es ankommt.

Ich bin wie Du!
Artikel 8: Vorurteile abbauen

Weltweit gehören Vorurteile und Stigmatisierung zu den größten Barrieren im Leben von Menschen mit Behinderungen. Artikel 8 fordert daher zur Bewusstseinsbildung auf. Er nennt Maßnahmen, die hierzu auf staatlicher Ebene ergriffen werden können: z. B. Aufklärung schon in der Kita, in Schulen, Hochschulen und der Arbeitswelt, z. B. für potenzielle Arbeitgeber. Wichtiig sind auch allgemeine Bewusstseinskampagnen und die Förderung sensibler Medienarbeit.

Ich bin drin!
Artikel 9: Barrierefreiheit

Ein bisher nur in der UN-BRK formuliertes menschenrechtliches Prinzip ist Barrierefreiheit. Diese geht in Artikel 9 weit über die sprichwörtliche Rampe hinaus. Neben dem Zugang zu Gebäuden und Transportmitteln umfasst sie den Zugang zu Information und Kommunikation sowie Orientierungshilfen. Solange Barrierefreiheit (noch) nicht umfänglich standardmäßig bereitgestellt werden kann, haben Menschen mit Behinderungen Anspruch auf die Bereitstellung von Hilfsmitteln.

Ich habe Chancen!
Artikel 24: Bildungsanspruch

Staatliche Bildungssysteme müssen u. a. gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleiche Chancen auf eine gute Bildung erhalten – und die notwendige Unterstützung für das gemeinsame Lernen mit Gleichaltrigen ohne Behinderungen

Ich bin's wert!
Artikel 25: Gesundheitsrechte

Staatliche Gesundheitssysteme sollen so ausgestaltet sein, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu allgemeinen Gesundheitsangeboten erhalten. Außerdem müssen Leistungen für behinderte Menschen verfügbar sein, die sie speziell wegen ihrer Behinderungen benötigen.

Ich bin überall!
Artikel 32: Internationalität

Die Verpflichtung der Unterzeichnerstaaten endet nicht an den Staatsgrenzen, sondern gilt auch für die Entwicklungszusammenarbeit. Unabhängig davon, in welchem Bereich z. B. Deutschland mit anderen Staaten zusammenarbeitet, muss es dabei die Rechte von Menschen mit Behinderungen achten, schützen und fördern.

Zum Download

  • Der 21-jährige Loukmane aus Niger hatte früher Kinderlähmung. Heute kann er sich dank Operation und Therapie eigenständig bewegen und hat ein eigenes Fahrradgeschäft.

    Themenpaket "2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung"

    pdf3.2MB, barrierefrei

    Im September 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen (UN) die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Hintergrundinfos zur Agenda und darüber, wie sich durch die nachhaltigen Entwicklungsziele das Leben von Menschen mit Behinderungen verbessern kann.

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  • Titelblatt der englischen Version der Empfehlungen zum Prinzip "Niemanden zurücklassen"

    IDDC Recommendation: Realising the global commitment to Leave No One Behind

    pdf190.6KB, barrierefrei

    Ensuring that persons with disabilities and other marginalised groups are included in development cooperation

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