Bensheim/Pinneberg, 16. August 2023. Ein geübtes Ohr erkennt Tisch und Wand mühelos am Klang. Um blinden Menschen im Alltag zu helfen, entwickeln drei Jugendliche ein digitales System, das Bilder in Töne umwandelt. Ben Epping (17), Peer Müller (16) und Tim Wahlen (17) von der Theodor-Heuss-Schule Pinneberg erhalten dafür den Sonderpreis der Christoffel-Blindenmission (CBM) "Innovationen für Menschen mit Behinderungen". Der Preis wird im Rahmen des Landeswettbewerbs Schleswig-Holstein der Stiftung "Jugend forscht" verliehen.
Blinde Menschen können sich in einem unbekannten Raum nur schwer orientieren. Sie erkunden ihre Umgebung mit einem Taststock Stück für Stück und bekommen kein Gesamtbild. Um diesen Menschen den Alltag zu erleichtern, haben Ben Epping (17), Peer Müller (16) und Tim Wahlen (17) ein Bild in Klang verwandelt. Bei ihrer Erfindung ist das Bild als kontinuierlicher Ton wahrnehmbar, der im Raum wandert und seine Klangfarbe ändert.
Achtung, laute Tischkante!
Die Hochachse des Bildes, also alles, was vertikal angeordnet ist, wird intuitiv in Tonhöhe übersetzt und die Horizontale, die Rechtsachse, entspricht dem Übergang des Tones vom linken zum rechten Ohr. Tiefenkarten liefern noch mehr relevante Informationen als ein einfaches Bild: Nahe Punkte erscheinen auf dem Bild hell und weiter entferntere, entsprechend dunkler. Je heller ein Pixel, desto lauter der Ton. Kombiniert erzeugen die Gegenstände im Raum verschiedene Lautstärken und Töne.
In einer Animation testeten die Schüler das Vorbeigehen an einem Tisch. Beim Annähern wird unten rechts ein Objekt hörbar. Mit etwas Übung können so mittlere bis große Hindernisse erkannt werden.
Der Materialbedarf eines anwendbaren Systems ist gering und erschwinglich. Im Alltag genügt ein Gerät aus Sensor, Kopfhörern und Mikrocomputer. Die Jungforscher haben es an den Formen Quadrat, Kreis und Dreieck getestet. Zwar konnten sie diese zunächst nicht einzeln identifizieren; weil sie aber alle klar unterschiedlich klingen, können sie mit Übung problemlos erkannt werden.
Forschung wird weitergeführt
Für die drei Jungforscher ist damit aber noch nicht Schluss. Sie wollen die Anwendungsfreundlichkeit verbessern, suchen weiter nach Wegen, Bilder auf die nötigsten Informationen zu reduzieren. Sie erwägen eine Anwendung in Echtzeit und Objekterkennung mit künstlicher Intelligenz. Für praktische Tests planen sie, blinde Personen in die Weiterentwicklung einzubeziehen. CBM-Vorstand Dr. Rainer Brockhaus lobt: "Ben, Peer und Tim verfolgen eine spannende Idee mit großem Potenzial, blinden und sehbehinderten Menschen im Alltag zu helfen. Selbstbestimmte Mobilität ist Grundlage von Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und finanzieller Unabhängigkeit. Jede Entwicklung in diese Richtung begrüßen wir als CBM und sagen, weiter so! Denn auch die CBM arbeitet in ihren Projekten in Entwicklungsländern daran, Menschen mit Behinderungen den Alltag zu erleichtern und Inklusion zu ermöglichen."
Landessieger haben Chance auf CBM-Bundespreis
Der CBM-Sonderpreis zeichnet jedes Jahr kreative Studien und Erfindungen aus, die bei Jugend forscht eingereicht werden. Als Organisation für Menschen mit Behinderungen in Entwicklungsländern legt die CBM Wert darauf, dass die Arbeiten gerade ihnen den Alltag erleichtern können. Denn von den eine Milliarde Menschen mit Behinderungen leben 80 Prozent in den ärmsten Regionen der Welt. Prämiert werden außerdem Arbeiten, die sich mit dem Zusammenhang von Krankheit und Behinderung befassen oder einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit leisten. Alle ausgezeichneten Landessieger haben die Chance, den von der CBM ausgeschriebenen Bundessonderpreis zu erhalten. Dieser ist mit 300 Euro dotiert.
Über die CBM
Die Christoffel-Blindenmission (CBM) zählt zu den international führenden Organisationen für inklusive Entwicklungszusammenarbeit. Sie unterstützt Menschen mit Behinderungen in den ärmsten Ländern der Welt – und das seit 115 Jahren. Gemeinsam mit ihren lokalen Partnern sorgt sie dafür, dass sich das Leben von Menschen mit Behinderungen grundlegend und dauerhaft verbessert. Sie leistet medizinische Hilfe und setzt sich für gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe ein. Ziel ist eine inklusive Welt, in der Menschen mit und ohne Behinderungen ihre Fähigkeiten einbringen können und niemand zurückgelassen wird. Im vergangenen Jahr förderte die CBM 391 Projekte in 44 Ländern.