Der nahe und der ferne Gott – das ist ein Thema, das Theologinnen und Theologen in ihren Studierzimmern und gläubige Menschen in verschiedenen Lebenslagen immer wieder beschäftigt und umtreibt.
Gott ist beides
Wer glaubt, kennt beide Erfahrungen. Da ist Gott, der Leben schenkt und bewahrt, der liebt und spürbar da ist, der die Welt in seiner Hand hält und ihre Geschicke zum Guten wendet. Und da ist Gott, der scheinbar schweigt und nicht eingreift, der Unglück offenbar geschehen und Menschen leiden lässt, der nicht erfahrbar bzw. weit weg zu sein scheint. Diese beiden Arten der Gotteserfahrung scheinen sich zu widersprechen und können den Glauben ernsthaft erschüttern.
Nun ließe sich einfach sagen, Gott sei eben größer als unsere Vorstellungskraft und übersteige schlicht unseren Verstand und unser Empfinden. Ende der Debatte! Diese Aussage ist aber ziemlich abstrakt und in konkreten Lebenssituationen schlicht wenig hilfreich.
Eine hilfreiche Spannung
Unser Monatsvers hilft uns mit einem anderen Ansatz. Stellen wir den Vers zunächst in seinen Kontext. Der alttestamentliche Prophet Jeremia setzt sich hier mit sogenannten "falschen Propheten" auseinander, die vorgeben, den Willen Gottes zu kennen. Sie sprechen im Namen Gottes und versprechen den Menschen vieles. Für sie ist das Reden von Gott ein Deckmantel für ein gottloses Leben. Gott, sagen sie, der ist uns ganz nah und vertraut, und meinen damit: Der unterstützt alles, was wir tun.
Jeremia sagt etwas anderes. Er weiß, Gott ist wirklich nahe, aber er ist eben auch fern – vielleicht, damit wir nie meinen, wir könnten ihn uns zunutze machen? Jeremia möchte dazu ermutigen, Gott zu suchen, genau hinzuhören, auf sein Reden im Herzen zu lauschen. Es ist ja nicht leicht zu erkennen, welche Stimme wirklich von Gott kommt. Er fordert die Menschen auf, ihr Leben zu überdenken, sich auf ihre guten Erfahrungen mit Gott zu besinnen und gegebenenfalls neue Wege einzuschlagen. Er spricht davon, dass es Konsequenzen haben wird, wenn sie nicht nach Gottes Wegen fragen.
Gut, dass wir Gott nicht im Griff haben
Wenn man Jeremia zuhört, wird klar: Wir brauchen beide Erfahrungen – die Nähe und die Ferne Gottes! Die Nähe Gottes tröstet uns und die Ferne Gottes erinnert uns daran, dass wir Gott nicht im Griff haben. Denn nur ein Gott, den wir nicht im Griff haben, kann uns in der Not wirklich helfen.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, dass Sie immer wieder die Stimme Gottes in Ihrem Herzen finden und daraufhin mutig Ihre Lebenswege gehen. Mögen Sie immer wieder einmal die Erfahrung machen, dass Gott Ihnen nahe ist.