Ein Mann, zwei Frauen und drei Kinder (wovon eines getragen wird) wandern über steinigen Boden. © CBM/Hayduk

Gedanken zur Jahreslosung 2023

Gott blickt uns immer an! – von CBM-Vorstand Dr. Peter Schießl

Du bist ein Gott, der mich sieht.

... sagt Hagar in 1. Mose 16,13 (Die Bibel, AltesTestament, Das erste Buch Mose, Kapitel 6, Vers 13)

Gott sieht mich. Sieht er mich wirklich? Will ich überhaupt, dass Gott mich ansieht? In einem Blick können Freude, Zuneigung, Zärtlichkeit, aber auch Drohung und Angst liegen. Blicke ich zurück oder wende ich meinen Blick ab?

Moses verhüllt in der Begegnung mit Gott beim brennenden Dornbusch sein Gesicht, denn er fürchtet sich, Gott anzuschauen (2. Mose 3,6).

Von Furcht ist in der Begegnung Hagars mit dem Engel des Herrn nicht die Rede. Der Engel des Herrn tröstet sie, die als Sklavin vor den Demütigungen ihrer Herrin geflohen ist, mit der Verheißung, ihr Sohn Ismael, der Grund der Eifersucht von Sarah und Auslöser ihrer Demütigungen, werde so zahlreiche "Nachkommen haben, dass man sie nicht zählen kann". Da erkennt sie, dass Gott durch den Engel zu ihr sprach, und sie blickt hinter dem her, der auch sie angesehen hat. Gott begegnet ihr und entzieht sich im Augenblick des Erkennens wieder.

Der Engel fordert Hagar auf, zu Abraham und Sarah zurückzukehren. Von ihrer Reaktion wird nichts Näheres berichtet. Aber offensichtlich kehrte sie zurück, denn im weiteren Verlauf des Buches Genesis wird davon erzählt, dass sie Jahre später von Abraham in die Wüste weggeschickt wird, wo Gott ihr erneut durch den Engel des Herrn zur Seite steht und ihr selbst die Augen öffnet (1. Mose 21).

Gott sieht also Hagar, ändert aber nichts an ihrer unmittelbaren Lage. Trotzdem preist Hagar Gott: "Du bist ein Gott, der mich sieht." Sie nennt seinen Namen, der anzeigt, wer er ist, der "Ich bin da" des Moses (2. Mose 3,14).

Es ist die gleiche Erfahrung, die die Mystikerin und in der katholischen Kirche als Heilige und Kirchenlehrerin verehrte Theresa von Avila sehr viel später schreiben lässt: "Gott allein genügt." Nicht dass damit alle Wünsche und alles Bitten ein Ende hätten, aber alles wäre ohne Ihn nichts. Nur Gott stillt letzten Endes unsere Sehnsucht und lässt uns ertragen, was unerträglich erscheint.

Gott ist immer da. Er blickt uns immer an. Wir dürfen zurückblicken ohne Angst, ermutigt vom Wort Jesu: "Ich habe Euch Freunde genannt." (Joh. 15,15)

Porträt eines Mannes © CBM
CBM-Vorstand Dr. Peter Schießl

Dr. Peter Schießl ist Vorstand der Christoffel-Blindenmission (CBM) und verantwortet die Bereiche Fundraising und Verwaltung.

Wer wählt eigentlich die Jahreslosung?

Die "Jahreslosung" ist ein Bibelvers, der Christinnen und Christen im deutschsprachigen Raum ein stärkender Begleiter durch das Jahr sein kann. Ganz anders als der Name vermuten lässt, wählt ihr Herausgeber "Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen" (ÖAG) sie nicht per Los! 

Jedes der 23 ÖAG-Mitglieder (u.a. Katholisches Bibelwerk und CVJM-Gesamtverband) schlägt Verse aus dem für das Jahr gültigen Bibelleseplan vor. In einem Diskussions- und Wahlverfahren wird dann die Jahreslosung bestimmt: Und das schon drei Jahre im Voraus! – "Erfunden" hat die Jahreslosung der schwäbische Pfarrer und Dichter Otto Riethmüller 1930. Er wollte den markigen NS-Schlagworten etwas entgegensetzen.