Interview zur Lage der Menschen im Südsudan
Tom, was ist dir von deiner jüngsten Reise in den Südsudan am stärksten in Erinnerung geblieben?
Tom van Herwijnen: Ich erinnere mich an etwas sehr Schlimmes und etwas sehr Schönes; das Schlimme zuerst: Auf einer Fahrt durch das Land kehrten wir in einem Restaurant ein, das an der Straße in einem Schiffscontainer untergebracht war. Am Eingang saß ein Mädchen. Es konnte nicht laufen und kaum sprechen. Es saß von Fliegen umschwärmt, seine Kleider waren zerrissen und es war schmutzig. Mit seiner kaum hörbaren Stimme bat es uns um Hilfe. Natürlich sorgten wir dafür, dass das Kind zu essen und zu trinken bekommt. Doch dieses kleine Mädchen, das dort an der Straße ums Überleben kämpfte, führte mir vor Augen: So geht es dem ganzen Land – Millionen Menschen dort sind unmittelbar vom Hungertod bedroht. Ich habe schon viel gesehen, aber diese Szene hat mich sehr erschüttert. Sie erinnerte mich einmal mehr daran, warum ich diese Arbeit mache.
Aber nun die schöne Situation: Ich habe beobachtet, wie Menschen kleine Zweige sammelten, um sie als Feuerholz zu verkaufen und wenigstens ein paar Cent zu verdienen. Diese Tatkraft, dieser Wille, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und etwas zu tun, um die eigene Situation zu verbessern, um zu überleben, haben mir gezeigt: Hier macht Hilfe zur Selbsthilfe Sinn! Es reicht nicht, nur Hilfsgüter einzufliegen und die Menschen am Leben zu erhalten. Wir müssen ihnen helfen, sich selbst zu helfen. Dann können sie ganz langsam wieder eine Existenz und langfristig ihr Land aufbauen. Es ist schon viel getan, wenn wir den Familien Saatgut und Nutztiere geben, damit sie wieder Landwirtschaft und Viehzucht betreiben können.
Warum leiden die Menschen im Südsudan so sehr?
Im Südsudan ist praktisch nichts mehr übrig. Das Land wird seit mehr als einem Jahrzehnt von Hilfsorganisationen am Leben erhalten. Zuerst war der Bürgerkrieg. Der ist zwar seit einigen Jahren beendet, aber immer noch ist die Lage instabil: Verschiedene Rebellengruppen herrschen in unterschiedlichen Teilen des Landes, der Staat ist quasi bankrott und produziert wird im Südsudan auch nichts mehr. Sämtliche Güter, zum Beispiel Wasser und Lebensmittel, kommen von außen. Zudem ist ein Teil des Landes seit Jahren überschwemmt: In diesen Gebieten schauen nur noch die Hausdächer aus dem Wasser. Die Betroffenen haben alles verloren und sind in Flüchtlingslager geflohen. In einer anderen Region grassiert eine schlimme Dürre. Mit anderen Worten: Es ist vielerorts schwer, Landwirtschaft zu betreiben.
Wie ist die Sicherheitslage vor Ort?
Ich habe ein Land erlebt, in dem nichts und niemand sicher ist. Menschen, die eigentlich für Recht und Ordnung sorgen sollten, zum Beispiel die Polizei und das Militär, wurden seit Monaten nicht bezahlt. Mit anderen Worten: Menschen, die eine Waffe mit sich führen, haben nichts zu essen. Das ist brandgefährlich. Niemand ist sicher, auch nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CBM oder anderer Hilfsorganisationen vor Ort. Es ist fatal: Die Bevölkerung überlebt seit Jahren nur durch die Hilfe der NGOs, zugleich bringen sich die Angestellten dieser Organisationen in größte Gefahr. Der Südsudan gilt als eines der unsichersten Länder weltweit mit dem größten Gefahrenpotenzial. Es ist ein Hochrisikogebiet. Es herrscht die höchste Risikostufe, die in einem Land herrschen kann.
Wie helfen wir dank unserer Spenderinnen und Spender den Menschen im Südsudan?
Wir unterstützen die Augenabteilungen der Krankenhäuser und behandeln die vielen Flüchtlinge, die in den Auffanglagern leben. Durch die katastrophalen Zustände – durch Fliegen, den Dreck und verunreinigtes Wasser – haben sich Augenkrankheiten wie Trachom stark ausgebreitet. Diese wiederum führen oft zu Sehbehinderungen oder Blindheit. Im Südsudan zu überleben ist so schon schwer genug. Stellen Sie sich vor, sie sind auch noch blind. Es geht hier um Leben und Tod: Wenn wir den Menschen nicht helfen, sterben sie – das ist die Realität. Unsere Spenderinnen und Spender schenken Menschen in einer wirklich verzweifelten Situation die Hoffnung auf Leben.
Was möchtest Du unseren Spenderinnen und Spendern sagen?
Mit Ihrer Hilfe können wir den Menschen im Südsudan Möglichkeiten zum Überleben bieten. Es geht wirklich um Leben und Tod in diesem Konflikt, der mittlerweile leider in Vergessenheit geraten ist. Die Lage ist so verzweifelt und Sie geben den Menschen Hoffnung. Dafür von Herzen Danke!