Augenarzt entfernt Augenverband bei einem Kind © CBM/Hayduk

"Ich habe zwei Zuhause"

Zwölf Jahre lebte und arbeitete Augenarzt Dr. Heiko Philippin in Ostafrika, davon zwei in Kenia, zehn in Tansania. Dabei schenkte er unzähligen Menschen Augenlicht. Bei den Freundestreffen im September erzählt er von seinen Erlebnissen. Wir hatten Gelegenheit, bereits vorab mit ihm zu sprechen.

Portrait einer Frau mit ihrem Baby und einem Arzt © CBM/argum/Einberger
Die 38-jährige Nafika kam mit starken Kopfschmerzen zu Dr. Philippin. Er diagnostizierte bei ihr Grünen Star und konnte ihr Augenlicht so weit erhalten, dass sie heute gut mit der Krankheit leben kann. Aus Dankbarkeit nannte sie ihren Sohn nach dem deutschen Augenarzt: Heiko.

Endlich gibt es wieder Freundestreffen! Auf was freuen Sie sich dabei am meisten?
Dr. Philippin:
Ich freue mich sehr darauf, dass man sich nun wieder persönlich sehen und treffen kann. Zwar war es schön, dass überhaupt Veranstaltungen in Online-Form stattfanden, aber es ist doch etwas anderes, mit den Besucherinnen und Besuchern in den persönlichen Austausch zu gehen.

 

Was ist für Sie das Besondere an den Freundestreffen?
Dr. Philippin:
Bei meiner Arbeit erlebe ich immer wieder, wie unsere Spenderinnen und Spender das Leben vieler Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns, zum Positiven verändern. Einfach weil sie bereit sind, etwas von sich zu geben. Dieses Glücksgefühl möchte ich mit den Besucherinnen und Besuchern der Freundestreffen teilen und so etwas zurückgeben.

Und wir können unmittelbar zeigen, was mit den Spenden passiert, wie wir das Geld einsetzen und so das Leben vieler Menschen verändern. Gleichzeitig sind auch unsere Partner in Afrika über die Partnerschaft mit der CBM dankbar. Da sie in der Regel nicht direkt mit den Spendern in Kontakt kommen, freue ich mich, dass ich stellvertretend über die wichtige Arbeit in den Projekten erzählen darf.

 

Welche Momente sind Ihnen während Ihrer Arbeit besonders im Gedächtnis geblieben?
Dr. Philippin: Da gab es viele schöne Momente. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen älteren Patienten aus Kenia. Er lebte allein, hatte keine Familie. Er hatte Grauen Star und konnte kaum noch etwas sehen. Trotzdem musste er sich um seine Kühe kümmern. Leider kam es des Öfteren vor, dass manche seiner Kühe gestohlen wurden, und er konnte nichts dagegen machen. Als er endlich zu uns kam und wir sein Augenlicht durch eine einfache Operation wiederherstellen konnten, war er unendlich glücklich und dankbar. Endlich konnte er richtig auf seine Kühe aufpassen, damit sie nicht mehr gestohlen werden konnten.

Ein anderes Beispiel war, als einmal eine Patientin ihr Baby nach mir benannt hat. Das hat mich sehr berührt.

Augenarzt beim Hausbesuch einer tansanischen Familie © CBM/Hartung
Regelmäßig hat Dr. Philippin bei Außeneinsätzen mitgearbeitet. Hier besucht er Francis (Mitte, rote Jacke) und dessen Familie. Der 84-Jährige hatte Grauen Star, Dr. Philippin konnte sein Augenlicht retten.

Sie nahmen auch regelmäßig an medizinischen Außeneinsätzen teil, um Menschen in abgelegenen Gegenden zu helfen. Wie läuft ein solcher Außeneinsatz ab?
Dr. Philippin:
Die Außeneinsätze, wir sagen auch Outreaches, nehmen wir regelmäßig vor, um möglichst vielen Menschen zu helfen. Damit ermöglichen wir medizinische Hilfe für Menschen, die keine Möglichkeit haben, in eine weit entfernte Klinik zu kommen.

In den Dörfern wird unsere Ankunft rechtzeitig angekündigt, damit auch jeder die Chance hat, zur Untersuchung zu kommen. Wir haben ein sehr umfangreiches Equipment dabei und können sogar vor Ort operieren. Teilweise sind wir bis zu einer Woche in den Dörfern unterwegs, damit wir möglichst viel erreichen können.

 

Gibt es Möglichkeiten, dass Menschen mit Sehbehinderungen untersucht werden, wenn Sie nicht vor Ort sind?
Dr. Philippin:
Dafür haben Teams von Partnern der CBM zum Beispiel die Möglichkeit, eine innovative Technologie per App einzusetzen, die das Sehvermögen der Patientinnen und Patienten testet. Das Besondere an dieser sogenannten Peek-Technologie ist, dass die Mitarbeiter in der Entscheidung, wohin der Patient überwiesen werden muss, unterstützt werden. Bei Problemen, die vor Ort behandelt werden können, verweisen die Mitarbeiter die Patientinnen und Patienten an die nächste Gesundheitsstation. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich herausstellt, dass jemand nur deshalb eine Sehbehinderung hat, weil er eine Brille braucht. In solchen Fällen müssen die Patienten keine langen Wege zur nächsten größeren Klinik auf sich nehmen.

 

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Bekämpfung von Augenkrankheiten in afrikanischen Ländern?
Dr. Philippin: Zum einen kommen viele Patienten leider viel zu spät in die Kliniken und dementsprechend spät werden erst Krankheiten diagnostiziert. Bei manchen Krankheiten wie dem Grünen Star ist das problematisch, da die Krankheit nicht heilbar ist. Wir können lediglich versuchen, die noch vorhandene Sehkraft zu erhalten. Deshalb ist es eine Herausforderung für das Gesundheitswesen, dafür zu sorgen, dass die Patientinnen und Patienten die Möglichkeit bekommen, sich rechtzeitig untersuchen lassen zu können. Dafür ist die Peek-Technologie eine gute Möglichkeit.

Ein anderes großes Problem ist, dass die Menschen häufig keinen Zugang zu Brillen haben. Dabei sind fehlende Brillen die zweithäufigste Ursache für Sehbehinderungen nach Grauem Star. Wir müssen dafür sorgen, dass Brillen in Ländern wie Tansania flächendeckend und erschwinglich zur Verfügung gestellt werden können – das ist jedoch eine große Herausforderung.

Augenarzt mit seiner Familie auf dem Kilimandscharo © 118067
Zwölf Jahre lang lebte und arbeitete Dr. Philippin mit seiner Familie in Afrika. Heute fühlt er sich sowohl der deutschen als auch der afrikanischen Kultur verbunden.

Warum werden viele Augenkrankheiten erst spät erkannt?
Dr. Philippin:
Leider sind viele Menschen sehr arm und können es sich bei schwerwiegenden Problemen nicht leisten, in eine Klinik zu fahren. Häufig erfahre ich davon, dass erst ein ganzes Dorf Geld sammeln musste, damit der Patient oder die Patientin die Busfahrt zur Klinik bezahlen konnte. Hinzu kommt, dass die Wege sehr weit sind. Es liegen große Distanzen zwischen kleinen Dörfern und der nächsten auf Augenkrankheiten spezialisierten Klinik – das macht die Anreise für viele Menschen sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich. Das ist auch ein Grund, weshalb wir mit unseren Außeneinsätzen versuchen, näher zu unseren Patienten zu kommen.

 

Wie hat sich überhaupt der Wunsch entwickelt, dass sie als Augenarzt in armen Ländern arbeiten wollten?
Dr. Philippin: Schon früh kam in mir der Wunsch auf, dass ich etwas bewegen möchte, armen Menschen zu einer besseren Lebensqualität verhelfen möchte. Deshalb wechselte ich irgendwann das Studienfach. Zunächst studierte ich Elektrotechnik, doch ich merkte, dass ich näher an und mit Menschen arbeiten wollte. Deshalb entschied ich mich für Augenheilkunde. Denn hier kann man mit relativ wenigen Mitteln große Veränderungen erreichen.

 

Wie hat sich nach zwölf Jahren Leben und Arbeiten in Ostafrika die Rückkehr nach Deutschland angefühlt? Ist mittlerweile Deutschland oder eher Afrika Ihre Heimat geworden?
Dr. Philippin: Das Wiederankommen in Deutschland war für meine Familie und mich schwieriger als das Gehen vor zwölf Jahren. An Manches mussten wir uns tatsächlich erst wieder gewöhnen. Ich freue mich dementsprechend immer, wenn ich hin und wieder nach Tansania reisen darf, um hier für eine gewisse Zeit zu arbeiten. Und doch kann ich sagen, dass nach einer so langen Zeit zwei Herzen in meiner Brust schlagen und dass ich mittlerweile zwei Zuhause habe.