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"Wenn sich ein Mensch ändert, ändert sich seine ganze Umgebung."

20 Jahre lang setzte sich Katharina Pförtner im Namen der CBM für Inklusion in Lateinamerika ein. Während der Zeit hat sie viel erlebt: traurige Erlebnisse genauso wie hoffnungsvolle. Nun geht sie in den Ruhestand - doch Langeweile wird sicher nicht aufkommen.

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Ein Herz für die Schwachen der Gesellschaft hatte Katharina Pförtner schon als Kind bewiesen. Nur folgerichtig, dass sie sich später für behinderte Kinder in Lateinamerika engagiert.

CBM: Du hast so vielen Menschen geholfen. Ist Dir jemand besonders in Erinnerung geblieben?
Pförtner: Es gibt ein Foto von einem Jungen aus Salvador. Davon kann ich mich nicht trennen. Er wurde mit offenem Rücken geboren. Er war sehr intelligent, lebte aber in Armut in einer kleinen Hütte. Durch die CBM-Projektarbeit hat er sich toll entwickelt! Wenn man das sieht – das überzeugt einen, wie wichtig Inklusion ist!

CBM: Was fasziniert Dich an Inklusion?
Pförtner: Die soziale Gerechtigkeit! Ich habe schon als Kind die schwachen Schüler mit nach Hause genommen, hat meine Mutter erzählt. (lacht)

CBM: Warum bist Du nach Südamerika gegangen?
Pförtner: Als mein Mann Gene und ich 1989 als freiwillige Helfer für ein Jahr nach Nicaragua gegangen sind, bin ich dort auf das Konzept der Einbindung einer ganzen Gemeinde in die Inklusionsarbeit gestoßen. Das fand ich super! Und dann sind dort die behinderten Menschen in den Dörfern.

CBM: Was ist dort das Problem?
Pförtner: Viele dort wissen einfach nicht, was sie mit behinderten Menschen machen sollen. Ich habe die irrsten Sachen erlebt, zum Beispiel dass behinderte Menschen versteckt wurden oder angebunden wie ein Tier. Wenn man diese Unwissenheit ändert, kann man eine große Entwicklung sehen! 

Viele wissen nicht, was sie mit behinderten Menschen machen sollen. Ich habe die irrsten Sachen erlebt.

Katharina Pförtner

CBM: Was hat sich denn schon verbessert?
Pförtner: Die Gesetzgebung, die behinderten Menschen die gleichen Rechte gibt wie allen anderen. Und in den Dörfern, in denen wir gearbeitet haben, tut sich viel. In einem Projekt in Nicaragua arbeiten geistig behinderte Jugendliche jetzt als Assistenten der Gemeindehelfer. Es ist toll, wie sie sich entwickelt haben! Und auch ihre Familien. Denn wenn sich ein Mensch verändert, ändert sich auch seine Umgebung.

CBM: Gab es neben diesen Erfolgen auch Rückschläge?
Pförtner: Ja, durch die vielen Katastrophen. Ich habe mehrere Hurricanes miterlebt, Erdbeben, Überschwemmungen, jetzt Corona. Die Auswirkungen sind furchtbar in Nicaragua, die Menschen sind verzweifelt, hier ist das Gesundheitssystem völlig überfordert, und es sterben so viele. 

CBM: Fällt es Dir schwer, gerade jetzt zu gehen?
Pförtner: Ja. Darum mache ich noch ein bisschen weiter. Ich übergebe nach und nach meine Arbeit an Miriam Gallegos aus Ecuador. Außerdem hat mich die Regierung von Honduras gebeten, wegen Corona 700 Lehrerinnen und Lehrer in inklusivem Homeschooling auszubilden. Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu viel arbeite im Ruhestand! (lacht)

CBM: Du bleibst also in Nicaragua?
Pförtner: Künftig möchte ich einige Monate im Jahr in Deutschland leben. In Bremen baue ich mit an einem Mehrgenerationen-Haus, in dem ich einmal alt werden könnte. Aber den größten Teil des Jahres bleibe ich in Nicaragua in meiner Finca am Rand des Urwalds mit Affen und Papageien. Es ist ein kleines Paradies und das möchte ich natürlich auch nicht aufgeben.