Auf Worte müssen Taten folgen

Michael Herbst, Politikexperte und Leiter der politischen Arbeit der CBM, hat die Wahlprogramme der Bundestagsparteien in Sachen Entwicklungszusammenarbeit untersucht. Wie wollen sich die Parteien dafür einsetzen, dass Menschen mit Behinderungen im globalen Süden nicht länger zurückgelassen werden? Wir haben mit ihm gesprochen.

Michael Herbst leitet die politische Arbeit der CBM.

Herr Herbst, welche Themen standen für Sie im Mittelpunkt Ihrer Wahlprogramm-Analyse?
Michael Herbst: "Als CBM setzen wir uns dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen in der Mitte der Gesellschaft leben, vor allem in den ärmsten Regionen der Welt. Und da ist die Gesundheitsversorgung ein wichtiges Thema, aber auch Bildung und Menschenrechte. Wir haben geschaut, was wollen die Parteien tun, um die Schwächsten der Gesellschaft in der Entwicklungshilfe, der humanitären Hilfe nicht zurückzulassen."

Und wie steht es da um die Programme der großen Parteien?
Michael Herbst: "Bei unserem Thema ‚Menschen mit Behinderungen in Entwicklungsländern‘ trennt sich die Spreu vom Weizen. Es gibt Parteien, die sagen ganz klar, wie sie die Menschenrechte für behinderte Menschen sicherstellen wollen. Es gibt Parteien, die beschränken sich darauf zu sagen, wir wollen niemanden zurücklassen in unserer Entwicklungspolitik. Und eine Partei sagt eigentlich nichts dazu."

Welche Forderungen stellt die CBM konkret in Bezug auf ihre Kernthemen?
Michael Herbst: "Wir haben zwölf Forderungen in einem Papier zur Bundestagswahl 2021 zusammengefasst. Sie laufen alle auf dasselbe hinaus: Die letzten müssen die ersten sein. Menschen mit Behinderungen dürfen nicht nur nicht ausgegrenzt werden. Sie müssen aufholen, was ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft angeht! In der Entwicklungszusammenarbeit braucht es hierfür endlich ein Budget und es muss erfasst werden, welche Projekte sich um Menschen mit Behinderungen kümmern. In ärmeren Ländern brauchen wir eine Gesundheitsversorgung, die Menschen mit Behinderungen erreicht und außerdem in der Lage ist, Behinderungen medizinisch wirksam zu bekämpfen. Zudem muss Deutschland seinen fairen Beitrag leisten, dass weltweit endlich jedes Kind zur Schule gehen kann. Der Schwerpunkt muss dabei auf Grundbildung liegen. Sie ist die Voraussetzung für alles Weitere."

Warum ist es aus Ihrer Sicht so wichtig, dass die künftige Regierung Menschen mit Behinderungen explizit bei der Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigt?
Michael Herbst: "Wir kommen in der globalen Entwicklung keinen Schritt weiter, wenn wir nicht alle Menschen mitnehmen. Wir müssen diejenigen, die ganz hinten in der Schlange stehen, zuerst erreichen. Das sagt nicht allein die CBM. Das ist eine gelernte Lektion aus den weltweiten Millennium-Entwicklungszielen. Und die hat zum "leave no-one behind" Leitprinzip der 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung geführt. Aber das geht nur mit Taten, nicht mit Worten!"

Wenn Sie sich etwas von der künftigen Regierung wünschen könnten, was wäre das?
Michael Herbst: "Dass aus Worten Taten werden! Wir müssen schauen, dass wir eine wirtschaftliche Existenzgrundlage schaffen und soziale und kulturelle Rechte von Menschen mit Behinderungen gerade in Entwicklungsländern gewährleisten. Und da geht es für die künftigen Regierenden darum, das Geld bereitzustellen, Ziele zu formulieren, Zeitpläne zur formulieren, Daten zu besorgen, verbindliche Vorgaben zu machen, um sich dann gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen ans Werk zu machen."

Wie konkret können unsere Leserinnen und Leser die CBM unterstützen?
Michael Herbst: "Wir führen noch bis zur Bundestagswahl eine Unterschriftenaktion durch. Da fordern wir etwas, das eigentlich selbstverständlich sein sollte, nämlich ein Recht für alle Menschen, auch und gerade für Menschen mit Behinderungen, auf Wasser, auf Sanitärversorgung, auf Hygiene. Wir wollen die Unterschriften, die wir bis zur Bundestagswahl sammeln, den Abgeordneten des künftigen Parlaments vorlegen und sie somit zum Handeln zwingen. Also bitte unterschreiben Sie! Und das Zweite ist: Wir haben einfach mal zusammengestellt, was die einzelnen Parteien sagen. Bitte schauen Sie sich das vor Ihrer Wahlentscheidung an. Beides findet man unter www.cbm.de/wahlcheck."