Warum sind Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung so wichtig?
Erbrechtsexperte Thomas Maulbetsch gibt Antwort auf drängende Fragen!

Herr Maulbetsch, viele Menschen machen sich mit zunehmendem Alter Gedanken über eine sinnvolle Vorsorge. Sie sind Fachanwalt für Erbrecht – was sollte man unbedingt bedenken?
Thomas Maulbetsch: Zuerst einmal ist es wichtig, die Vorsorge nicht auf die lange Bank zu schieben: In jedem Alter kann durch Unfall oder Krankheit eine Situation entstehen, in der man nicht mehr selbstständig handeln oder seinen Willen äußern kann. Es ist sinnvoll, für diese Fälle Vorsorge zu treffen – zum Beispiel mit einer Vorsorgevollmacht.
Wozu dient die Vorsorgevollmacht?
Ein Unfall kann auch bei jüngeren Erwachsenen dazu führen, dass jemand für sie Entscheidungen treffen muss. Dieses Entscheidungsrecht geht nicht automatisch auf die nächsten Angehörigen über, wie viele denken. Gibt es keine Vorsorgevollmacht, so muss vom Gericht ein Betreuer eingesetzt werden und das kann eventuell längere Zeit dauern. Habe ich aber einer Person meines Vertrauens eine Vorsorgevollmacht ausgestellt, so kann diese sofort handeln und meinen Willen durchsetzen. Als Bevollmächtigter beziehungsweise Bevollmächtigte darf sie z. B. meine Post lesen und beantworten oder meine ärztliche Betreuung klären. Für Bankgeschäfte wird eine gesonderte Bankvollmacht benötigt.
Was ist aber, wenn man niemanden hat, der das übernehmen kann?
Sobald man aufgrund von Unfall, Krankheit oder Alter seinen Willen nicht mehr äußern oder selbst handeln kann, wird vom Betreuungsgericht, das seinen Sitz beim Amtsgericht hat, ein sogenannter gesetzlicher Betreuer bestellt.
Die Betreuerin oder der Betreuer hat dann das Recht und die Aufgabe, alle Entscheidungen für seinen Betreuten zu treffen. Der Rechtspfleger beim Amtsgericht wählt den Betreuer aus und das Betreuungsgericht hat die Aufgabe, dessen Handeln zu kontrollieren.
Es gibt ja auch eine Betreuungsverfügung. Was ist das und wo ist der Unterschied zur Vorsorgevollmacht?
Vertrauen ist bei der Vorsorgevollmacht der entscheidende Punkt, denn sie gilt, sobald sie unterzeichnet und ausgehändigt ist. Das heißt, sie könnte auch schon vor dem Ernstfall angewendet werden. Die Betreuungsverfügung ist zwar auch ab der Unterschrift gültig, wird aber erst umgesetzt, wenn der Betreuungsfall eintritt und das Gericht einen Betreuer bestellt. Falls Sie also keine Vorsorgevollmacht ausgestellt haben, können Sie mit einer Betreuungsverfügung trotzdem beeinflussen, wer im Ernstfall Ihr Betreuer sein soll, wer auf keinen Fall und welche Aufgaben wie durchzuführen sind. Ich kann hier einen Betreuer benennen, muss es aber nicht. Trotzdem kann ich dem Betreuer, ob bekannt oder nicht, Anweisungen geben.
Was sind die Aufgaben einer Betreuerin oder eines Betreuers?
Die Betreuungsverfügung stellt sicher, dass im Notfall eine Betreuerin oder ein Betreuer Ihre rechtlichen Interessen wahrnimmt und in Ihrem Sinne vertritt.
Wieso ist eigentlich eine Patientenverfügung wichtig?
Die Corona-Krise ist ein gutes Beispiel. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt, für Notfall oder Zustandsverschlechterung bei Erkrankten vorzusorgen. Die jeweils ambulant betreuenden Ärztinnen und Ärzte, die Patientinnen und Patienten sowie Betreuungspersonen sollten die Behandlung gemeinsam im Voraus festlegen. Das umfasst medizinische Maßnahmen, die Klinik, mitzuführende Unterlagen und geeignete Transportmittel. Nach neuer Rechtsprechung müssen Sie in Ihrer Verfügung entscheiden, ob Sie in bestimmte, nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen einwilligen oder nicht. Nennen Sie die Maßnahmen konkret, spezifizieren Sie Krankheit und Behandlungssituation. Benennen Sie Ihre Wünsche präzise – zum Beispiel, was unter "lebensverlängernde Maßnahmen" fällt. Ihr Arzt hilft Ihnen dabei. Die Ärzte sind rechtlich verpflichtet, Ihre Verfügung zu berücksichtigen. Aber legen Sie sie daheim unbedingt gut auffindbar bereit.
Ein weiteres Thema, mit dem sich viele erst spät beschäftigen, ist die Bestattung. Kann ich meine Wünsche zu Lebzeiten festlegen?
Wünsche für die Bestattung können Sie zu Lebzeiten in einem Vorsorge- bzw. Bestattungsvertrag regeln, den Sie mit einem Bestattungsunternehmen abschließen. Wichtig ist, dass Sie Vorgaben für die Bestattung nicht ins Testament schreiben, denn das wird meist erst Wochen nach der Beerdigung eröffnet. Dadurch können die Wünsche nicht mehr umgesetzt werden.
Was kann ich im Vorsorge- beziehungsweise Bestattungsvertrag regeln?
Mit einem solchen Vertrag geben Sie verbindliche Regieanweisungen für Ihre Beerdigung. Sie können dort u. a. den Friedhof benennen, die Grabart wählen und reservieren, Sarg oder Urne aussuchen, die Trauerfeier planen und die Grabpflege regeln. Sie können dort auch bestimmen, wie Sie beerdigt werden möchten, ob in einer Erd-, Feuer-, Seebestattung oder einer anonymen Bestattung. Bei Feuer- oder Seebestattungen ist es sogar notwendig, sie zu Lebzeiten im Vertrag zu benennen. Es reicht im Regelfall nicht aus, nur die Angehörigen über die Pläne zu informieren.
Was ist, wenn das Bestattungsunternehmen zahlungsunfähig wird? Ist dann das eingezahlte Geld für die Beerdigung weg?
Wenn Sie den Vorsorgevertrag aufsetzen, können Sie die Beerdigungskosten auf das Treuhandkonto der Bestattungsinnung einzahlen bzw. dort hinterlegen. So haben Ihre Vereinbarungen über den Tod hinaus Bestand. Sie können einen Vorsorgevertrag jederzeit ändern oder ergänzen.
Gibt es weitere Vorteile?
Mit einem Vorsorgevertrag nehmen Sie Menschen, die Ihnen zu Lebzeiten wichtig waren, in den schweren Stunden der Trauer Entscheidungen ab und geben ihnen das gute Gefühl, in Ihrem Sinne zu handeln.